Hat Klimaaktivismus denn irgendwas gebracht?
22/09/2021
Am 24.9.2021 ist der nächste weltweite globale Klimastreik – Philipp Steininger von LCOY erzählt, warum Klimaaktivismus gerade jetzt so wichtig ist und was er denn bereits gebracht hat.
Wie bist du zu Klimaaktivismus gekommen?
Das begann als ich 2019 nach Wien gezogen bin. In dem Jahr wurde die globale Klimabewegung, mitausgelöst durch Fridays For Future, auch in Österreich immer präsenter. Zuvor engagierte ich mich schon für andere gesellschaftsrelevante Thema wie die Integration von Geflüchteten oder die soziale Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigung, weshalb für mich auch Engagement für Klimaschutz naheliegend war. Ich ging dann vermehrt auf Klimademonstrationen am Freitag, erlebte wie der nationale Klimanotstand ausgerufen wurde (der leider nicht wirklich was veränderte) und nahm im Oktober an der Local Conference of Youth Austria, kurz LCOY, teil. Dieses Event mit 300 anderen jungen, engagierten Menschen und seiner motivierenden Atmosphäre betrachte ich rückblickend als DEN Auslöser für mein Engagement für Klimaschutz. Ich habe mich dann direkt auf der Konferenz dazu entschieden die Nächste mitzuorganisieren.
In welchem Ausmaß spielt Klimaaktivismus eine wichtige Rolle, um das System zu ändern?
Meiner Meinung nach kommt (Klima)Aktivismus eine sehr bedeutende Rolle zu, um gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen.
Klimaaktivismus schafft Bewusstseinsbildung und sorgt dafür, dass der Klimakrise mehr Aufmerksamkeit in den Medien und somit in der Gesellschaft geschenkt wird. Sie versucht Missstände aufzuzeigen und Druck auf Entscheidungsträger*innen zu erzeugen. Leider nehmen Politiker*innen in Österreich und global, und Entscheidungsträger*innen in anderen Bereichen viel zu selten ihre Verantwortung wahr, die Bevölkerung über die Dringlichkeit der Klimakrise und das Ausmaß der erforderlichen Veränderungen aufzuklären. Auch weil Politiker*innen diese Verantwortung nicht wahrnehmen, ist Klimaaktivismus und sind Klimaaktivist*innen so verdammt wichtig, weil sie diese essenzielle Aufgabe wahrnehmen und diese Sensibilisierung für die Klimakrise erzeugen/schaffen. Um gesellschaftlichen Wandel zu ermöglichen ist das unerlässlich.
Dadurch ist Klimaschutz mehr Menschen ein Anliegen, wodurch ihr Wahlverhalten, ihre Bereitschaft erforderliche Maßnahmen mitzutragen und ihre alltäglichen Entscheidungen beeinflusst werden, und folglich auch Druck auf Entscheidungsträger*innen in der Politik erzeugt wird, damit diese eine ambitionierte Klimapolitik betreiben. Denn schlussendlich benötigen wir vor allem wirkungsorientierte Gesetze und Rahmenbedingungen, geschaffen von der Politik, um die Erhitzung der Erde und die dadurch verursachten Folgen auf ein Ausmaß zu begrenzen, das die Lebensgrundlage der Menschheit nicht bedroht.
Erst vor kurzem hat bspw. der Politikwissenschaftler Reinhard Steurer, der sich im Rahmen seiner Forschung vor allem mit Klimapolitik auseinandersetzt, gemeinsam mit Sarah Louise Nash einen Artikel veröffentlicht, der belegt, dass der gesellschaftliche Diskurs, und der Grad der Politisierung, ausgelöst durch Demonstrationen, sehr treibende Faktoren für ambitionierte Klimapolitik sein können. Der jährliche Stimmungsbarometer der österreichischen Bevölkerung zu erneuerbaren Energien zeigt auch, dass klimapolitische Forderungen von Fridays for Future bspw. die CO₂ Besteuerung steigende Zustimmung in der Bevölkerung erfahren /erfährt. Kurz zusammengefasst, Klimaaktivismus spielt eine wichtige Rolle.
Welche positiven Veränderungen konntest du im Zuge des Anstieges der Popularität von Klimaaktivismus auf lokaler Ebene bereits feststellen? Hat Klimaaktivismus denn irgendwas gebracht?
Grundsätzlich wird über das Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit einfach deutlich öfters gesprochen, als das noch vor 3 Jahren der Fall war, und das ist definitiv positiv. Keine Partei, die gewählt werden will, kann es sich noch leisten das Thema Klimaschutz nicht zu adressieren, wobei das natürlich nicht bedeutet, dass das allein zu Maßnahmen führt welcher der Dringlichkeit und dem Ausmaß der Klimakrise gerecht werden.
Das oben erwähnte jährliche Stimmungsbarometer der österreichischen Bevölkerung zu erneuerbaren Energien lässt in den letzten Jahren auch einen klaren Trend zu mehr Akzeptanz für erneuerbare Energie erkennen. Es sind auch immer mehr Leute und Gemeinden daran interessiert ihre eigene erneuerbare Energie lokal und unabhängig zu produzieren. Das ist unheimlich wichtig, da die Transformation des Energiesystems im Grunde den größten Hebel in der Reduktion der Treibhausgas-Emissionen darstellt. Wenn die Bevölkerung da mitspielt, oder gar Interesse zeigt selbst an der Energiewende auf lokaler Ebene mitzuwirken, ist das eine sehr positive Entwicklung. Die zunehmende Politisierung der Jugend, zumindest nehme ich persönlich das so wahr, kann auch teilweise auf die Popularität von Klimaaktivismus zurückgeführt werden, und stimmt mich auch positiv.
Was würdest du zu jenen sagen, die meinen, dass Aktivismus nichts bringt und was würdest du jenen raten, die mit Menschen dieser Meinung darüber diskutieren?
Die Personen, die meinen, dass Aktivismus nichts bringt, würde ich zuerst fragen, wieso sie das denken. Ist es Frustration? Politikverdrossenheit? Desinteresse, oder schlicht gewisse Information? Abhängig davon bieten sich unterschiedliche Gesprächsinhalte an.
Generell finde ich es wichtig Menschen dort abzuholen, wo sie sich befinden, konkrete positive Beispiele von Aktivismus zu liefern und die auch ein positives Bild von der Zukunft, eine Vision schaffen, für das sich Leute einsetzen wollen. Konkrete Handlungsoptionen im eigenen Möglichkeitsraum aufzuzeigen ist ebenfalls hilfreich, insbesondere falls sich das Gegenüber machtlos fühlt. Den Menschen, die mit diesen diskutieren würde ich raten, ihre eigenen Grenzen zu kennen und sich seine „Kämpfe“ gut auszusuchen, da zumindest ein Konsens bzgl. ein paar Aspekte bestehen sollte, um eine solche Diskussion seriös anzugehen. Zum Beispiel das Anerkennen von wissenschaftlichen Fakten und der Realität der Klimakrise.
Was würdest du unseren Leser*innen, die aktivistisch tätig werden wollen, raten?
Es gibt tausend unterschiedliche Möglichkeiten aktiv zu werden. Finde das, was du gut kannst, und woran du Spaß hast. Verbünde dich mit Gleichgesinnten (Freiwilligenarbeit). Gönne dir Pause und teile dir deine Ressourcen gut ein, feier die kleinen Siege. Besuche die österreichische Jugendklimakonferenz 2021 am 15. bis 17. Oktober, falls du Zeit hast und schau am Markt der Initiativen vorbei, dort werden viele unterschiedliche Organisationen vorgestellt.
Im Kampf gegen die Klimakrise hat politischen Druck zu erzeugen viel mehr Gewicht als immer nur die richtigen Kaufentscheidungen zu treffen. Ich hoffe wir sehen uns am Freitag auf der Straße! Und falls du Fragen hast, kannst du dich gerne jederzeit bei mir melden. (philippsteininger26@gmail.com)